Rot und Blau ist Kaspers Frau


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Fahnenhissen fördert die Unfähigkeit, selbstverantwortlich zu handeln

„Rot und Blau geht dem Kasper seine Frau, ein bißchen Grüner gehen seine Diener, ein bißchen Gelber geht der Hanswurst selber.“

Wer diesen Spruch des öfteren gehört hat, wird seine Kleiderauswahl dahingehend, bis auf minimale Ausnahmen, richten, Rot und Blau nicht zu kombinieren. Jedenfalls nicht einen roten Pulli, Bluse, Jacke mit einer blauen Hose, Rock oder umgekehrt.

Schätzungsweise war Ocker die erste Farbe, mit der unsere Vorfahren die ersten Zeichnungen auf Stein gemalt haben, gefolgt von Schwarz, Braun und Weiß. Warum? Weil diese Farben als natürliche Rohstoffe in der Natur vorkamen. Alle anderen Farben entstehen mehr oder weniger durch Verarbeitung, entweder durch Trocknung von Früchten, gemahlene Steine oder von Tieren, Beispiel Cochenille-Schildlaus (rot).

Nun fragt man sich wahrscheinlich oder auch nicht, warum waren unsere Vorfahren mit den Farbtönen ocker, schwarz, braun und weiß nicht zufrieden, sondern erschlossen für sich und die Nachwelt die Möglichkeit, „Gemälde“, Kleidung und Körperbemalungen mit einer ganzen Palette von Farben zu erweitern? Ohne weiteres sind doch mit nur einer Farbe plastische Darstellungen möglich.

Angenommen unsere Augen könnten nur die Farben Ocker, Schwarz, Braun und Weiß voneinander unterscheiden, alle anderen Farben könnten nicht wahrgenommen werden. Somit wäre es komplett einerlei, ob eine Blume rote oder gelbe Blüten hat. Demzufolge würde kein Interesse bestehen, eine gelbe Blume zu zeichnen, da sie für das Auge nicht als gelbe Blume wahrnehmbar wäre.

Da das menschliche Auge, bis auf einige Ausnahmen, die Fähigkeit besitzt, Hunderte von Farbnuancen zu unterscheiden, sogar mit den Reflexen der Beschaffenheit einer Farbe, ob glatt, strukturiert, glänzend, meliert, wäre es mehr als verwunderlich, wenn die Menschen nicht versucht hätten, diese Farbenpracht zu nutzen, um sie mittels Gemälden, Körperbemalungen, Stoffen „dauerhaft“ zu sehen und sich daran zu erfreuen.

Die Natur ist vielfältig, der Mensch ist vielfältig. Bis auf die Ausnahmen der Wenigen, die von der Vielfältigkeit überfordert sind und deshalb ein Schwarz-Weiß-Denken bevorzugen und dies mit aller Gewalt und Macht auf alle Andersdenkenden übertragen wollen. Dazu dienen ihnen vorgeschwärmte Werte, die es zu erhalten gäbe. Nicht beachtet wird dabei, daß gerade Werte immer einer Vielfältigkeit unterliegen.

Die Minderung der Vielfältigkeit führt zu strengeren Maßnahmen und schlußendlich zu starren Verhaltensmustern. Diese wiederum erzeugen die Unfähigkeit, selbstverantwortlich zu handeln.

Und wenn demnächst unsere Kinder und Enkelkinder morgens im Kindergarten und in der Schule vor den Fahnen der einzelnen Nationalstaaten salutieren müssen, dann können sie getrost Rot und Blau kombinieren, falls es noch erlaubt sein sollte, denn Hauptsache wird sein, ihre Kleidung ist nicht moralisch verwerflich!

Doris Mock-Kamm

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